Cheysuli 04 - Kind Des Raben by Jennifer Roberson

Cheysuli 04 - Kind Des Raben by Jennifer Roberson

Autor:Jennifer Roberson [Roberson, Jennifer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-02T04:00:00+00:00


Erstes Buch

1

»Sommerjahrmarkt«, flüsterte Kellin in seinem Schlafraum und prüfte damit den Klang des Wortes und seinen tieferen Sinn. Dann jubelnd: »Sommerjahrmarkt!«

Er öffnete schwungvoll den Deckel einer Kleidertruhe und entnahm ihr Samt- und Brokatkleidung, die er aber zugunsten zwangloserer Lederkleidung beiseitewarf. Er wollte sich angemessen, aber ohne homanische Anmaßung zeigen und stattdessen die Würde eines Cheysuli an den Tag legen.

Sommerjahrmarkt. Dieses Jahr sollte er hingehen. Im letzten Jahr war es ihm als Strafe sowohl für sein eigensinniges Beharren auf seinem Recht, als auch für das Vergehen, das er noch immer für keines hielt, verboten worden. Sein Großvater, seine Großmutter und alle Diener hatten es falsch verstanden. Sie hatten es alle falsch verstanden, jeder Einzelne, ungeachtet des Ranges, der Geburt oder der Herkunft.

Ian hätte es richtig verstanden, aber Kellins Harani war seit zwei Jahren tot. Und wegen seines Todes – und der Art, wie er gestorben war –, hatte Kellin vernichten wollen, was er als Bedrohung derer ansah, die er liebte.

Niemand verstand. Aber seine Gedanken eilten schon wieder weit voraus, verdrängten die schmerzlichen Erinnerungen an die unglückliche Zeit, während er der Truhe angemessene Cheysulikleidung entnahm: ein weich gegerbtes, rostrotes Wams mit passender Hose, ein mit Onyx und bearbeitetem Gold zu schließender Gürtel und weiche Stiefel mit Sohlen, die vielleicht für den Waldboden gedacht waren, nicht aber für die harten Steine der Stadt.

»… ob sie noch passen …?« Kellin zog einen Stiefel an und erkannte, dass er nicht mehr passte, was bedeutete, dass dies auch für den anderen Stiefel galt, was wiederum bedeutete, dass er erneut gewachsen war und Aileens Näherinnen wahrscheinlich um neue homanische Kleidung bemühen musste … Er verzog das Gesicht. Er mochte diese Prozedur überhaupt nicht. Vielleicht konnte er die lederne Kleidung der Cheysuli anlegen und neue homanische Stiefel dazu tragen – oder wäre das ein Frevel?

Er schlüpfte aus der homanischen Tunika und der Hose und ersetzte sie durch die von ihm bevorzugte Cheysulikleidung, wobei er erkannte, dass auch die Hose zu klein geworden war. Nein, seine Beine waren länger geworden, was Kellin erfreute. Er war eine Zeit lang recht klein gewesen, aber es schien, als würde er die fehlende Größe jetzt aufholen. Vielleicht würde ihn nun niemand mehr bloß für einen Achtjährigen halten, sondern würde die Reife erkennen, die sein Alter von inzwischen zehn Jahren mit sich brachte.

Kellin überprüfte seine Kleidung und schloss den Gürtel um die schmalen Hüften. Das frisch gewaschene Haar wellte sich beim Trocknen zu den gewohnten Locken – Kellin versuchte sofort, sie zu glätten –, und sein Kinn war noch glatt und von dem entstellenden Bewuchs, den die Homaner einen Bart nannten, unverdorben. Ein Bart kennzeichnete einen Mann, der weniger als ein Cheysuli war, wie Kellin es empfand, da den Cheysuli üblicherweise keine Bärte wuchsen, obwohl es bei einigen Cheysuli gemischten Blutes nicht nur geschehen konnte, sondern tatsächlich schon geschehen war. Es hieß, dass Corin im fernen Atvia einen Bart trug, wie auch Kellins eigener erinnischer Großvater, Sean, aber er würde das niemals tun. Kellin würde sich niemals einer Mode verschreiben, die das Erbe eines Mannes hinter seiner Gesichtsbehaarung verbarg.



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